Starkregen ist das Problem

Die Heinrichsflut hat ganze Landstriche im Hochstift und in Nordhessen in eine Wasserwüste verwandelt. Die Schäden waren immens. Ist ein solches Hochwasserereignis wie 1965 auch heute, 55 Jahre danach, noch denkbar? Eine eindeutige Antwort darauf hat niemand. Aber eines wissen die Verantwortlichen des Diemelwasserverbandes ganz genau: Solche Flutwellen sind heute unwahrscheinlicher als noch 1965.

Das größte Problem in diesen Tagen seien eher die Starkregen, berichtet Ulrich Klare, Ingenieur beim Stadtbauamt und in dieser Eigenschaft gemeinsam mit Markus Peters auch für den Diemelwasserverband tätig. „Und die kommen immer häufiger vor und führen zu Problemen“, weiß Klare. Immense Schäden wie 1965 bleiben zwar meist aus. Aber Vorfälle gab es reichlich – zuletzt in Herlinghausen und auch in Wormeln, wo ein Acker auf dem Sportplatz des SV Wormelia landete.

Die Stadt Warburg hat daher Mittel beim Land beantragt, mit denen ein Starkregenkonzept aufgestellt werden soll. Spezielle Ingenieurbüros machen das. Sie untersuchen, wie starke Regenmengen abfließen, wo es Probleme mit Kanälen und Gräben geben könnte. „Ziel ist es herauszufinden, wie wir auch kritische Ortslagen wie in Herlinghausen und Wormeln schützen“, sagt Ulrich Klare. Außerdem könnte in einem solchen Konzept auch die Einsatzplanung etwa von Feuerwehr und THW eine Rolle spielen.

„Wir lernen auch dazu“, weiß Warburgs Bürgermeister Michael Stickeln als Vorsteher des Diemelwasserverbandes. So seien nach den jüngsten Schäden durch Starkregen sehr konstruktive Gespräche mit Landwirten geführt worden. „Manchmal reicht schon ein kleinerer Ackerrandstreifen oder eine besondere Ausrichtung und Auswahl der Feldfrüchte aus, um den Starkregen so lange aufzuhalten, dass er wieder geordnet abfließen kann.“ So könnten Schäden vermieden werden. In Herlinghausen habe man hier gemeinsam mit der Landwirtschaft gute Ergebnisse erzielt. Gleiches gelte für Germete, wo durch die Renaturierung des Kälberbaches eine weitere Sicherheitskomponente hinzugekommen sei.

Natürlich sind auch die großen Gewässer weiter im Fokus, hier vor allem die Diemel. Acht Kilometer Deiche, zumeist entlang von Diemel und Twiste, muss die Stadt Warburg unterhalten. Im kommenden Jahr steht der Deich-TÜV an. Experten überprüfen die Standfestigkeit der Dämme, den Bewuchs, die Höhe. Dazu gibt es auch Kernbohrungen in das Herz des Hochwasserschutzes. „Wir hoffen, dass alles in Ordnung ist. Sonst kann es für die Stadt Warburg in den nächsten Jahren richtig teuer werden“, berichtet auch Bürgermeister Michael Stickeln.

Für mehr Sicherheit bei hohen Wasserständen sollen in Zukunft auch zwei Vorzeigeprojekte sorgen. Bei Germete werden 850 Meter der Diemel renaturiert. Überschwemmungsflächen werden angelegt, die das Wasser zurückhalten sollen. Ein ähnliches Projekt, das vor allem dem Schutz der Äschen und anderer Fische dienen soll, ist zwischen Wrexen und Scherfede geplant. Beide sollen im Herbst 2021 starten.

Kleinere Hochwasserschutzprojekte laufen zudem weiter. In Welda wird das Rückhaltebecken für den Hörler Bach derzeit überplant. In Germete sollen am Regenrückhaltebecken Teichmühle an der Deichkrone Verbesserungen vorgenommen werden. Da hier eine Förderung abgelehnt wurde und die Stadt Warburg die Kosten weitgehend selber tragen muss, zieht sich der Start der Arbeiten noch etwas hin.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ereignisse von 1965 genießt der Hochwasserschutz in Warburg immer noch hohe Priorität. Und es werde weiter viel gemacht. „Ob sich das alles als richtig erweist, werden wir sehen. Die Begradigung der Diemel galt ja auch einmal als ein gutes Mittel gegen Hochwasser“, berichtet Michael Stickeln. Heute sehe man das anders. Eine Erkenntnis bleibe: „Wasser kennt keine Grenzen. Ob all das, was wir planen, wirklich kluge Entscheidungen sind, werden uns in 30 Jahren die Experten sagen.“

Bericht : Westfalenblatt vom 16.07.2020 (Jürgen Vahle)